Arbeitgeber Spital: Zwischen Perspektiven und neuen Herausforderungen
Das GZO Spital Wetzikon vereint viele verschiedene Berufe unter einem Dach. Welche Vorteile das bietet und wie die Institution durch äussere Einflüsse ständig neu gefordert ist, wissen Barbara Schibli, Leiterin HRM, und Carolina Steiner, Leiterin Bildung, Direktion Betriebe.

Dieser Beitrag wurde in der Verlagsbeilage «Bildung» veröffentlicht, die am 1. September mit dem «Zürcher Oberländer» und dem «Anzeiger von Uster» erschienen ist.
Wieso sollte man eine Ausbildung im GZO Spital Wetzikon beginnen?
Carolina Steiner: Im GZO hat man die Möglichkeit, eine sehr vielfältige Lehre zu absolvieren. Man erhält eine ganzheitliche Ausbildung und wird als Mensch wahrgenommen. Trotz unserer Grösse sind wir immer noch ein familiärer Betrieb. Man kennt sich und grüsst sich auf dem Gang. Man bezeichnet uns deshalb oft auch als das «Grüezi-Spital».
Barbara Schibli: Wer bei uns eine Grundausbildung absolviert, lernt das ganze Haus kennen. Die Lernenden haben die Möglichkeit, in andere Bereiche reinzuschauen und sich mit anderen Auszubildenden auszutauschen und voneinander zu lernen.
Was ist die Idee hinter dem interdisziplinären Austausch der Lernenden?
Steiner: Die Idee ist, dass sie erfahren, was in anderen Bereichen gemacht wird. Sie sollen nachvollziehen können, was geleistet wird, um so mehr Verständnis füreinander zu haben. Zugleich wissen sie, an wen sie sich bei Fragestellungen, die nicht ihre Haupttätigkeiten betreffen, wenden können. Durch gemeinsame Einführungstage, Anlässe und die Abschlussreise entsteht auch ein starker Zusammenhalt zwischen den Lernenden.

Wie schafft man es, in einem grossen Betrieb individuell auf die Lernenden einzugehen?
Steiner: Indem man den Menschen als Individuum wahrnimmt. Jede und jeder Lernende ist wichtig und wertvoll. Wenn ich sehe, dass es irgendwo ein Problem gibt, setze ich mich mit der Person zusammen und versuche es zu lösen. Wir haben auch genügend Ausbildungsverantwortliche in den Bereichen, die für die Ausbildung zuständig sind und die Lernenden täglich begleiten. Der Mensch wird wahrgenommen und wertgeschätzt.
Schibli: Lernende durch eine Ausbildung und zum erfolgreichen Abschluss zu führen, ist eine gemeinsame Aufgabe. Viele Verantwortliche sind darin involviert und leisten eine grossartige Arbeit. Es kommt während der Lehrzeit viel zusammen, das die Lernenden bewältigen müssen. Wir Verantwortlichen müssen mit den jungen Menschen arbeiten und einen guten Weg finden und schaffen.
Steiner: Uns ist bewusst, dass die meisten Lernenden in der Adoleszenz sind und eine sehr schwierige Phase durchleben können. Sie lösen sich langsam von zu Hause ab, die körperliche Entwicklung fordert heraus, und das Liebesleben ist auch noch da oder eben nicht. Es sind sehr komplexe Situationen, und wir nehmen die Lernenden ernst mit ihren Sorgen, Wünschen und Hoffnungen.
Eine der bekanntesten Ausbildungen im Spital ist die zur Fachfrau oder zum Fachmann Gesundheit. Welche Anforderungen werden dort an die Lernenden gestellt?
Steiner: Es werden eine hohe Sozialkompetenz sowie Kommunikationsfähigkeit und Teamfähigkeit gefordert. Auch sollten sie Einfühlungsvermögen besitzen, also empathisch sein, und gleichzeitig auf sich selbst schauen können. Es ist wichtig, dass sie sich reflektieren und auch mal sagen können, wenn es für sie nicht mehr geht. In der Pflege muss man flexibel sein, und man hat Arbeitszeiten, wenn die Kollegen auch mal frei haben. Je nach Lehrjahr müssen sie auch schon mal einen Spätdienst oder einen Wochenenddienst übernehmen.
Welche Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es für sie?
Steiner: Sehr viele. Als Fachfrau oder Fachmann Gesundheit kann man sich in allen Berufen ausbilden, die im Spital ausgeübt werden. Da gibt es viele verschiedene Optionen mit oder ohne Matur.
«Je weniger Personal zur Verfügung steht, umso strenger wird es auf den Stationen. Es ist eine Art Teufelskreis.»
Barbara Schibli, Leiterin HRM am GZO Spital Wetzikon
Schibli: Das Gesundheitswesen bietet so viele Möglichkeiten, dass ein Spital eigentlich das drei- oder vierfache an Fachleuten ausbilden müsste, um alle nachfolgenden Optionen abdecken zu können. Dann hätten wir vielleicht genügend Personal.
Muss man die Ausbildung attraktiver gestalten, um dem Personalmangel entgegenzuwirken?
Schibli: Die Ausbildung selbst ist genügend attraktiv. Die Frage ist, wie es danach weitergeht und wie hoch die physische und psychische Belastung im Alltag für die Pflegefachfrau oder den Fachmann Gesundheit ist. Je weniger Personal zur Verfügung steht, umso strenger wird es auf den Stationen. Es ist eine Art Teufelskreis. Es ist ein herausfordernder und leistungsintensiver Beruf, der vielfältige persönliche und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten bereithält.
Steiner: Es braucht auch die Wertschätzung von aussen. Die Vorstellung muss verschwinden, dass Pflegende nur Hintern abputzen. Die Gesellschaft muss begreifen, was Pflegende in ihrem Arbeitsalltag alles leisten, welch grosse Verantwortung sie tragen und auch unter was für einem Druck sie stehen. Es ist ein anspruchsvoller und fordernder Beruf. Das sieht man bei den Auszubildenden, die ihre Lehre als Teenager beginnen und beim Abschluss gestandene Frauen und Männer mit einer grossen Sozialkompetenz sind. Die Pflegeausbildung ist auch eine Lebensschule.

Die Mehrheit der Beschäftigten im Spital ist immer noch weiblich. Wird etwas gemacht, um das zu ändern?
Steiner: Wir bevorzugen weder Männer noch Frauen in der Selektion. Sie müssen genau dasselbe leisten. Ich habe aber immer Freude, wenn sich einmal ein junger Mann für die Pflegeausbildung meldet. In der Gesellschaft ist immer noch verankert, dass die Arbeit in der Pflege ein Frauenberuf ist.
Schibli: Es täte dem Beruf gut, wenn ihn mehr Männer ausüben würden. Es entstände ein anderes Selbstverständnis. Steiner: Wir sind nicht mehr Krankenschwestern, sondern Pflegefachpersonen, die eigene Pflegediagnosen stellen, am Pflegeprozess arbeiten und nicht nur das Anhängsel vom Arzt sind.
Vielen schwebt vermutlich noch das stark hierarchische Bild zwischen Ärzten und Pflegenden vor. Ist das immer noch so?
Steiner: Dieses Bild wird immer mehr aufgelöst. Natürlich ist es nicht etwas, das von heute auf morgen geändert werden kann. Aber gerade in den Spezialbereichen, etwa auf der Intensivstation oder der Notfallstation, sind Pflegende und Ärzte auf derselben Stufe und diskutieren auf Augenhöhe.
Schibli: Was denkst du, Carolina, gibt es auch eine Veränderung zwischen diesen beiden Berufsgruppen, weil immer mehr Ärztinnen im Spital arbeiten?
Steiner: Momentan haben wir mehr Assistenzärztinnen als Assistenzärzte. Und auch bei den Ärztinnen und Ärzten wächst der Frauenanteil. Das hat womöglich auch etwas dazu beigetragen. Ebenso wie der stetige Kampf der Pflege um Anerkennung, um wegzukommen von diesem Image des Hilfsberufs. Als ich vor 25 Jahren die Ausbildung zur Krankenschwester gemacht habe, war es eher noch ein Assistenzberuf. Das hat sich geändert.
Wie hat sich die Arbeit mit den Patientinnen und Patienten verändert?
Steiner: Durch die hohen Kosten im Gesundheitswesen und den Druck der Politik muss mehr gespart werden, weshalb man im Vergleich zu früher immer weniger Zeit hat und sich weniger um den einzelnen Patienten kümmern kann. Ein grosser Teil der Arbeit der Pflegenden ist heutzutage bürokratischer Natur: Es muss immer mehr dokumentiert werden, damit man rechtlich abgesichert ist. Es muss alles genau und zum richtigen Zeitpunkt vermerkt werden.
«Patienten und ihre Angehörigen sind immer mehr Kunden, und das ist eine grosse Herausforderung für das Personal.»
Barbara Schibli, Leiterin HRM am GZO Spital Wetzikon
Schibli: Die Ansprüche der Patienten und Angehörigen steigen, und wenn sie nicht das bekommen, was sie wollen, wird die Unzufriedenheit spürbar, denn schliesslich werden hohe Versicherungsprämien bezahlt, und dafür will man Leistung – nicht nur die beste medizinische Versorgung, sondern auch eine hervorragende Hotellerie und das schönste Zimmer. Dem müssen wir begegnen können und Antworten finden respektive das Personal dafür ausbilden. Patienten und ihre Angehörigen sind immer mehr Kunden, und das ist eine grosse Herausforderung für das Personal.
Wie hat sich das Spital als Arbeitgeber in den letzten Jahren verändert?
Schibli: Als Spital müssen wir flexibel sein und sind im Bereich der Anstellungsbedingungen enorm gefordert. Eine Antwort auf die Frage zu finden, was uns zu einem attraktiven Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb macht, ist eine der grössten Herausforderungen. Alle Spitäler im Kanton Zürich sind diesbezüglich Konkurrenten. Wir sind nonstop auf Personalsuche und haben viele kurzfristige Eintritte. Durch politische Entscheide stehen wir unter Druck und versuchen das so zu kommunizieren, dass es die Menschen verstehen. Als Beispiel: Alle Spitäler im Kanton Zürich müssen sich dieses Jahr wieder für die Spitalliste bewerben. Auch wenn es das GZO seit über 100 Jahren gibt, müssen wir unsere Existenzberechtigung alle paar Jahre durch die Gesundheitsdirektion prüfen lassen. Das ist eine Zerreissprobe.
Wie schafft man es, rentabel und trotzdem ein guter Arbeitgeber zu sein?
Schibli: Das ist die Frage aller Fragen und die grösste Herausforderung. Gerade in der aktuell zu bewältigenden Corona-Pandemie, in der ausserordentliche Leistungen erbracht werden. Da gilt es, eine Balance zu finden und die eigene Wettbewerbstauglichkeit auch mit entsprechende Benefits für Mitarbeitende zu überprüfen. Jedoch alles über das Geld zu regeln, ist schwierig. Denn niemand wird es freuen, wenn zum Beispiel auch Versicherungsprämien immer weiter steigen. Schlussendlich stellt sich die Frage: Was ist eine Gesellschaft bereit zu investieren, um langfristig eine gute medizinische Versorgung gewährleisten zu können?