Die Glatt und ich

Vor einigen Tagen hatte ich eine, ja fast schon hitzige Diskussion mit einem meiner Redaktionskollegen über die Glatt. Als Ostschweizer verstehe ich die Schwärmerei meines Kollegen sowie anderen Einheimischen über dieses Rinnsal nicht, sagte ich.
Mein Hauptargument ist, dass man nicht baden kann. Ausser man will Entenflöhe. Für mich ist dies ein Ausschlusskriterium, um als Fluss betitelt zu werden. Auch das Grillieren vor Ort wird durch den ganzen Taubenkot überall verunmöglicht. Ein gemütliches Plantschen mit den Füssen im Wasser wird auch schwierig, weil die aus Zement bestehenden Stufen nicht bis ans Wasser reichen.
Nicht einmal zur Grundversorgung der Bevölkerung trägt das Flüsschen etwas bei. Ein Beweis? Kein einziger Fischer, den ich jemals beim Angeln beobachten habe, hat auch nur ein kleines Läugeli aus dem Wasser gezogen.
Einzig ihr ökologischer Nutzen, beispielsweise die Steigerung der Artenvielfalt, ist für mich nachvollziehbar. Und ja, als letzte Woche ein Biber bei der Bahnhofsbrücke gesichtet wurde, ging auch mir das Herz auf. Aber bitte, EIN Biber?»
Da wo ich herkomme, gibt es die Thur, und Dutzende Biber. Ausserdem viele Sandbänke zum Baden. Und als ich sagte, dass wir gar einen natürlichen Sprungturm in der Form eines Felsens haben, war auch das Interesse meines Kollegen geweckt.
Wo dies denn sei, wollte er wissen. Wahrscheinlich werde ich ihn dort demnächst spontan antreffen. Doch just, als ich dachte, die Diskussion gewonnen zu haben, spazierte ich zu meinem Auto. Und was müssen meine Augen sehen? Ein Typ in Badehose, der sich völlig gelassen in die Glatt gleiten lässt.
Ich war perplex. Nach intensivem Nachdenken auf einem der zig Sitzbänke entlang der Glatt, die sich sehr für eine innere Einkehr eignen, kam ich zu der fast schon einsteinschen Erkenntnis: Alles ist relativ, nur die eigenen Gedanken limitieren mein Handeln. Auf diese Weise versöhnte ich mich mit der Glatt. Nun fehlt nur noch der Schwumm, um die Versöhnung amtlich zu machen.
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